Es kommt mir vor, als wär es gestern gewesen, auch wenn man
bei genauer Betrachtung der Jahreszahlen eher auf einen Wert von 37 Jahren
kommt. Wir standen im Pausenhof und kamen aufs Lesen zu sprechen. Wir, das
waren mein bester Freund Martin und ein Schulkollege, dessen Nachnamen ich noch
weiß, aber dessen von mir viel häufiger benutzter Vorname unklar ist. Thorsten
oder Thomas. Wie auch immer. Ausgerechnet Martin, der Lesemuffel vor dem Herrn,
berichtete von seinen letzten Leseerlebnissen und schlug uns damit völlig in
den Bann.
Ich weiß nicht mehr, was er genau erzählte, nur dass er
irgendwann aufhörte. Und wir beiden anderen fragten ganz atemlos, wie es denn
dann weitergegangen sei. Worauf seine Antwort war, das wisse er noch nicht, das
komme erst im Heft der nächsten Woche, „Die Gravo-Katastrophe“.
Auch wenn ich das Konzept der wöchentlich erscheinenden
Hefte kannte – schließlich war ich bis dato großer Fan von Spider-Man, der
damals noch „Die Spinne“ hieß -, schien mir das für Romane zunächst suspekt.
Immerhin wollte ich mir selbst ein Bild machen und Martin erhielt den Auftrag,
die Hefte ranzuschaffen.
Ein wenig enttäuscht war ich, als Martin als erstes Heft die
Nummer 817, „Statthalter des Bösen“ mitbrachte, in dem von Gravoschleuse weit
und breit nichts zu sehen war. Aber die beiden komischen Typen, die da
mitspielten, schloss ich sofort in mein Herz. Und Martin bezeichnete ich fortan
nur noch als marsianische Dörrpflaume. Wenn ich gewusst hätte, dass ich (zur Strafe?)
37 Jahre später aussehen würde wie Dalaimoc Rorvic, hätte ich mich vielleicht
zurückgehalten.
Ein paar Tage später hielt ich dann auch die Hefte um die
Gravoschleuse und Icho Tolot in meinen Händen. Und auch wenn ich später mit
Hans Kneifel fast gar nicht klar kam, waren diese Hefte eine Offenbarung. Ich
war infiziert und schleppte mein Taschengeld fortan für Perry statt für Peter
zum Kiosk (der bei uns ZZZ (Zeitschriftenzentrale) hieß und auch „echte“ SF-Bücher
im Angebot hatte).
Damit war mein Eintritt ins Perryversum zwar erfolgt, aber
ich saß immer noch mit offenem Mund und Unverständnis dabei, wenn Martin und
ein weiterer Perrianer, Rüdiger, über die politischen Verhältnisse in der
Milchstraße philosophierten. Natürlich sprachen sie über Politik, immerhin waren
sie unsere Juso-Mitglieder in spe. Nichtsdestotrotz wollte ich auch verstehen,
wovon sie da eigentlich faselten, wenn sie das Hetos der Sieben, das Solare
Imperium und was noch alles erwähnten.
Endlich ergab sich die Möglichkeit, als ich einen
Second-Hand-Laden (die früher noch „An- und Verkauf“ hießen) auftat, der auch
alte Perrys im Angebot hatte. Hier trug ich nicht nur mein mühsam Erspartes, sondern
auch meine Comic-Sammlung hin, um sie gegen meinen neuen Helden einzutauschen.
Im Nachhinein habe ich Tränen in den Augen, wenn ich an die Tauschkurse denke
und dass ich mir den guten alten Peter Parker später wieder für teures Geld
zurückholte.
Ich konsumierte alles, was mir von Perry in die Hände kam,
was aber immer noch zu wenig war. Ich reiste mit meinem Raumschiff (mein altes
blaues Fahrrad, das zwar kein Rennrad war, aber immerhin einen Rennradlenker
hatte) nicht nur zur Schule durch den Hyperraum, sondern entdeckte auf meinen
Explorerflügen auch die Bibliothek, die eine wahre Schatztruhe für den
angehenden SF-und Horrorfan war.
Irgendwann war das Lesen und Diskutieren in der Schule nicht
mehr genug und wir gründeten –einen PRC. Den Perry-Rhodan-Club Helios um genau
zu sein. Dort waren zwar zunächst auch nur die Schüler unseres Jahrgangs versammelt,
aber schon bald hatten wir auch Kontakt zu anderen Fans, Fantasyspielen,
verlegten Fanzine und besuchten keine Cons (das war mangels ausreichenden
Taschengeldes unmöglich). Mein Verlangen nach den Sternen wuchs, ebenso mein
Interesse an der Astronomie. Wir besuchten Vorträge in unserer heimischen
Sternwarte, hielten selber Vorträge in unserem Club.
Und hatten einfach eine tolle Zeit. Die Welt stand uns offen
und wir hatten Spaß daran.
Heute lese ich wieder und immer noch Perry Rhodan. Die
ursprüngliche Begeisterung und Faszination ist verflogen. Zusammen mit der sie
begründenden Jugend. Aber immerhin habe ich so jede Woche einmal einen Anstoß nicht
nur in das Perryversum einzutauchen, sondern auch in meine Jugend und das sie
begleitende Hochgefühl. Und das ist mehr, als so manches andere Buch oder mancher
Film hinbekommt.