Donnerstag, 20. Juni 2013

Assoziationen zu Perry und meiner Jugend


Es kommt mir vor, als wär es gestern gewesen, auch wenn man bei genauer Betrachtung der Jahreszahlen eher auf einen Wert von 37 Jahren kommt. Wir standen im Pausenhof und kamen aufs Lesen zu sprechen. Wir, das waren mein bester Freund Martin und ein Schulkollege, dessen Nachnamen ich noch weiß, aber dessen von mir viel häufiger benutzter Vorname unklar ist. Thorsten oder Thomas. Wie auch immer. Ausgerechnet Martin, der Lesemuffel vor dem Herrn, berichtete von seinen letzten Leseerlebnissen und schlug uns damit völlig in den Bann.
Ich weiß nicht mehr, was er genau erzählte, nur dass er irgendwann aufhörte. Und wir beiden anderen fragten ganz atemlos, wie es denn dann weitergegangen sei. Worauf seine Antwort war, das wisse er noch nicht, das komme erst im Heft der nächsten Woche, „Die Gravo-Katastrophe“.
Auch wenn ich das Konzept der wöchentlich erscheinenden Hefte kannte – schließlich war ich bis dato großer Fan von Spider-Man, der damals noch „Die Spinne“ hieß -, schien mir das für Romane zunächst suspekt. Immerhin wollte ich mir selbst ein Bild machen und Martin erhielt den Auftrag, die Hefte ranzuschaffen.
Ein wenig enttäuscht war ich, als Martin als erstes Heft die Nummer 817, „Statthalter des Bösen“ mitbrachte, in dem von Gravoschleuse weit und breit nichts zu sehen war. Aber die beiden komischen Typen, die da mitspielten, schloss ich sofort in mein Herz. Und Martin bezeichnete ich fortan nur noch als marsianische Dörrpflaume. Wenn ich gewusst hätte, dass ich (zur Strafe?) 37 Jahre später aussehen würde wie Dalaimoc Rorvic, hätte ich mich vielleicht zurückgehalten.
Ein paar Tage später hielt ich dann auch die Hefte um die Gravoschleuse und Icho Tolot in meinen Händen. Und auch wenn ich später mit Hans Kneifel fast gar nicht klar kam, waren diese Hefte eine Offenbarung. Ich war infiziert und schleppte mein Taschengeld fortan für Perry statt für Peter zum Kiosk (der bei uns ZZZ (Zeitschriftenzentrale) hieß und auch „echte“ SF-Bücher im Angebot hatte).
Damit war mein Eintritt ins Perryversum zwar erfolgt, aber ich saß immer noch mit offenem Mund und Unverständnis dabei, wenn Martin und ein weiterer Perrianer, Rüdiger, über die politischen Verhältnisse in der Milchstraße philosophierten. Natürlich sprachen sie über Politik, immerhin waren sie unsere Juso-Mitglieder in spe. Nichtsdestotrotz wollte ich auch verstehen, wovon sie da eigentlich faselten, wenn sie das Hetos der Sieben, das Solare Imperium und was noch alles erwähnten.
Endlich ergab sich die Möglichkeit, als ich einen Second-Hand-Laden (die früher noch „An- und Verkauf“ hießen) auftat, der auch alte Perrys im Angebot hatte. Hier trug ich nicht nur mein mühsam Erspartes, sondern auch meine Comic-Sammlung hin, um sie gegen meinen neuen Helden einzutauschen. Im Nachhinein habe ich Tränen in den Augen, wenn ich an die Tauschkurse denke und dass ich mir den guten alten Peter Parker später wieder für teures Geld zurückholte.
Ich konsumierte alles, was mir von Perry in die Hände kam, was aber immer noch zu wenig war. Ich reiste mit meinem Raumschiff (mein altes blaues Fahrrad, das zwar kein Rennrad war, aber immerhin einen Rennradlenker hatte) nicht nur zur Schule durch den Hyperraum, sondern entdeckte auf meinen Explorerflügen auch die Bibliothek, die eine wahre Schatztruhe für den angehenden SF-und Horrorfan war.
Irgendwann war das Lesen und Diskutieren in der Schule nicht mehr genug und wir gründeten –einen PRC. Den Perry-Rhodan-Club Helios um genau zu sein. Dort waren zwar zunächst auch nur die Schüler unseres Jahrgangs versammelt, aber schon bald hatten wir auch Kontakt zu anderen Fans, Fantasyspielen, verlegten Fanzine und besuchten keine Cons (das war mangels ausreichenden Taschengeldes unmöglich). Mein Verlangen nach den Sternen wuchs, ebenso mein Interesse an der Astronomie. Wir besuchten Vorträge in unserer heimischen Sternwarte, hielten selber Vorträge in unserem Club.
Und hatten einfach eine tolle Zeit. Die Welt stand uns offen und wir hatten Spaß daran.
Heute lese ich wieder und immer noch Perry Rhodan. Die ursprüngliche Begeisterung und Faszination ist verflogen. Zusammen mit der sie begründenden Jugend. Aber immerhin habe ich so jede Woche einmal einen Anstoß nicht nur in das Perryversum einzutauchen, sondern auch in meine Jugend und das sie begleitende Hochgefühl. Und das ist mehr, als so manches andere Buch oder mancher Film hinbekommt.